vita I texts

Foto: Josephine Tischer

 

2024

cabinet de curiosites, Verein der Berliner Künstlerinnen 1867, Berlin-Schöneberg (25.10. – 24.11. 2024
Neue Arbeiten, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/ Main (E) (30.08. – 27.09.)
Fussball, Gruppenausstellung, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/ Main (14.06. – 12.07.)
Lupfurdum, Alte Handelsschule, Leipzig (Eröffnung 25.01. – 10.02.)
offenes Atelier, kleiner Spinnereirundgang, Leipziger Baumwollspinnerei (13.01.24)

2023

Ankommen_Bleiben, Koeppjohann’sche Stiftung, Berlin (E) (November 2023-2024)
Jahresgaben, White Square Gallery, Berlin (12.23 – 01.24)
Jahresgaben, Verein der Berliner Künstlerinnen 1867, Berlin-Schöneberg (26.11. – 28.01.)
Reflexionen, White Square Gallery, Berlin (09. – 11.23)
Portraitiert, Berliner Künstlerinnen im Atelier, VdBK1867, Eisenacher Str. 118, Berlin (27.04.-14.05)
Durch Durch Durch, Atelierhof Kreuzberg (28-29.04.)

2022

Shapes of Nature, Nicole Gnesa Galerie, München (17.11.-14.01.23)
Jahresgaben, White Square Gallery, Berlin (25.11. – 28.01.2023)
Troubled Nature, Haus Kunst Mitte, Berlin (08.08.2022 – 15.01.2023)
In der Schwebe, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/ Main (E) (24.06. – 23.07.)
Schätze aus dem Archiv, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/ M (02.09. – 01.10.)
Stipendium Neustart Kultur  (01.05.-31.10.) Im Zweifel ein Portrait, Verein der Berliner Künstlerinnen 1867, Haus Kunst Mitte, Berlin (09.06.-08.07)
Let’s have a ball, Pop Up Ausstellung, Camarohaus, Berlin (27.04.-26.05.)
Weil es ein schöner Abend war, Meisterschüler*innen Prof. Neo Rauch, Eigen + Art, Leipzig (12.02. – 19.03.)
Hohes Weiß, tiefes Schwarz und manchmal Rot, Verein der Beriner Künstlerinnen 1867, Haus Kunst Mitte, Berlin (03-04)

2021
Jahresgaben, Verein der Berliner Künstlerinnen, HausKunstMitte, Berlin (05.12.-30.01.22)
Little piece of,
Galerie Intershop, Leipzig (27.11.21 – 18.12.21)
Who is afraid of_Rosa,A&O Kunsthalle, Leipzig (19.11.21 – 15.01.22)
Jahresgaben,
White Square Galerie, Berlin (18.11.21 – 05.02.22)
Rosé auf Eis, Westside/ Galerie Kleindienst, Leipzig (16.09. – 16.10.)
Gute Nächte, helle Morgen,Kunst- und Projekthaus Torstrassse 111, Berlin
Lust, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/M (28.08. – 18.09.)
…nicht irgendein PlanetWhite Square Gallery, Berlin (30.04. – 12-06.) (E)
Gute Nächte, helle Morgen, Kunst- und Projekthaus Torstrasse 111, Berlin (29.04. – 28.05.)
Der feine Rest,
Galerie Edition Stella A, Berlin Mitte
Temps, Zionskirche, Berlin-Mitte (E)

2020
Landschaften und Mehr, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/ M (13.11. – 24.12.)
Auktion, Jeschke van Vliet
Vertige, Thaler Originalgrafik, Baumwollspinnerei Leipzig (E) (7.11.-05.12.)
Dreiphasen, Kunst- und Projekthaus Torstrasse 111, Berlin (10.-27.09.)
Arbeiten auf und mit Papier, Galerie Hübner + Hübner Frankfurt/ M (28.08. – 19.09.)
TORTORTOR, Kunst-und Projekthaus Torstrasse 111, Berlin-Mitte (18.06.-05.07.)
Inside, Thaler Originalgrafik, Baumwollspinnerei Leipzig
Speicher voll, Kunstverein Zwickau Freunde Aktueller Kunst, Zwickau

2019
Jahresgabe, White Square Gallery, Berlin
Das vorletzte Abendmahl, Westside Galerie, Leipzig
Who’s afraid of Rosa, Westpol A.I.R. Space, Heilandskirche, Erich-Zeigner-Allee 24, Leipzig
Zukunft, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/ M
12 aus 46, VdBK, Käthe-Kohlwitz-Museum, Berlin
Lecker Malerei, Atelierhof Kreuzberg, Schleiermacherstrasse 31-37, 10961 Berlin
Im großen Schiff der Gefühle, Kunst – und Projekthaus Torstrasse 111, Berlin-Mitte
En bloc, Galerie Nicole Gnesa, München
CIRCLUS, Januar 2019, Thaler Originalgrafik, Baumwollspinnerei, Leipzig

2018
En bloc, CODEX, Berlin
Jahresendausstellung
, Galerie Kleindienst, Franz-Fleming-Strasse, Leipzig
Das kann sich sehen lassen
, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/M
rotrotrot
, Intershop Interdisziplinaire, Baumwollspinnerei Leipzig
Neue Ufer, Friederike Jokisch, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/M (E)
maroc, Kunstverein Münsterland, Coesfeld
Nach dem Bild ist vor dem Bild. 75 Malerinnen aus Leipzig
Freunde Aktueller Kunst, Zwickau

2017
Uncover, Archiv massiv, Baumwollspinnerei Leipzig (E)
Das kleine Format, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/M
Frankfurt, Gruppenausstellung, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/M
Ladder to Heaven, Neuer Pfaffenhofener Kunstverein in der Kunsthalle Pfaffenhofen in Zusammenarbeit mit Lubok Verlag und Thaler Originalgrafik
Vietnam-Arbeitsaufenthalt
Art Karlsruhe, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner

2016
Pentimento #3, Thaler Originalgrafik, Leipzig
maroc, ASPN, Leipzig
Gruppenausstellung, Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt/M
Miniaturen, Galerie Nicole Gnesa, München
Art Karlsruhe, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner

2015
curator’s choice, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt/M
Terrain, Artfein Gallery, Berlin (E)
weilen, Archiv massiv, Baumwollspinnerei Leipzig (E)
Premiere Combat, Museum, Livorno, Italien
Art Karlsruhe, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner
Marokko-Malreise mit Y. Kiessling, J. Rochhausen,
N. El Makhloufi und M. Weischer
Werkschau, Werkschauhalle der Baumwollspinnerei, Leipzig

2014
Das flüssige Element, Kunstmuseum Ahrenshop
Muße, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt/M (E)
art fair Köln, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner
Heimat?, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt/M

2013
unterwegsGalerie der UniCredit-bank, Leipzig
Woman on Water, ASPN Galerie, Baumwollspinnerei, Leipzig
von innen und aussenlandschaften 2, meinblau Projektgalerie, Berlin
Paper Art Karlsruhe, vertreten durch
Galerie Hübner & Hübner

2012
Affordable Art Fair, Hamburg, vertreten durch
Galerie Hübner & Hübner
Budenzauber, Kunstverein, Panitzsch
Autonome Räume, Brunnenstrasse 10, Berlin
Stillleben, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt/M (K)
von innen und aussenlandschaften, C.Rockefeller Center For The Contemporary Arts, Dresden
Art Karlsruhe, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner
Alles Wasser, Galerie Mikael Andersen, Berlin

2011
Lichtland, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt/M (E) (K)
Wandergruppe, Kunstverein, Leipzig
StadtLandFluss, Kunstverein, Jena (K)
Steinwerk-Lithografie-Symposium, Steinwerk, Leipzig
Art Karlsruhe, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner
Frühjahrskollektion, Kunstverein Tiergarten/ Galerie Nord, Berlin (K)

2010
Delta, Archiv Massiv, Baumwollspinnerei, Leipzig (E)
Meisterschülerausstellung, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
Von Vorn, Meisterklasse Neo Rauch, Landesgartenschaugelände, Aschersleben (K)
La nouvelle generation des paintre de l’ecole de leipzig,
Galerie M. de Champfleury, Paris
I.Oelder SOR-Kunstgang, im SØRVICECENTER Oelde
Arkadien, Kunst am Bau, Ausgestaltung des Wartebereichs der Uniklinik/ Nuklearmedizin, Leipzig
Art Karlsruhe, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner

2009
Friederike Jokisch, Kunsthalle, Aschau am Chiemsee (E)
Neue Arbeiten, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt/M (E)
Landschaft, Galerie Hübner, Frankfurt/M (K)
Werkschau, Baumwollspinnerei, Leipzig
Meisterschüler und Studenten von Prof. Neo Rauch,
Galerie Schloß & Gut Liebenberg
Carte Blanche, Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig
Wanderer, Kunstverein, Marburg (K)
Querformat, Galerie Tiergarten Kunstverein, Berlin (K)
Los Angeles Art Show, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner

2008
Ohne mich stehst du im Nichts, Galerie Hafen & Rand, Hamburg
Landschaft entdecken, Niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts im Dialog mit zeitgenössischen Positionen aus der Sammlung Sor Rusche, Kunstsammlung Gera, Orangerie
o.T., Galerie Hübner, Frankfurt/M (E) (K)
Diplomausstellung, Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Art Cologne, vertreten durch Galerie Hübner & Hübner

2007
itinera nova, Kunsthöfe, Berlin
Arbeiten auf Papier/ Neues aus Leipzig, Galerie Leuenroth, Frankfurt/M

2006
Mittelgebirge, Galerie Hübner, Frankfurt/M

2005
everybody’s darling, Schreiber Villa, Leipzig

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(E): Einzelausstellung
(K): Katalog
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1981: geboren in Leipzig
2002: Studium der Malerei/ Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, bei Prof. Arno Rink und Prof. Neo Rauch
2008: Diplom mit Auszeichnung im Studiengang Malerei/ Grafik
2008 – 2010: Meisterschülerin bei Prof. Neo Rauch
2001: Abitur am Evangelischen Schulzentrum Leipzig
1998-99: Notre-dame de Nante, Frankreich
lebt und arbeitet in Berlin und Leipzig.


Foto: Josephine Tischer

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Text von Neo Rauch

Das zentrale Motiv im bisherigen Schaffen von Friederike Jokisch ist die Landschaft. Eine so ausschließliche Hinwendung zu diesem Sujet kommt gegenwärtig sehr selten vor, und es ist darüber hinaus der im besten Wortsinne eigentümliche Zugang, den sich die junge Malerin erarbeitet hat, der ihrem Werk eine Sonderstellung bereitet.

Friederike Jokisch durchlebt Landschaft sehr intensiv; sie ist Wanderin und nimmt vor Ort Notizen auf, die sie im Atelier zu komplexen Arrangements verdichtet. Sie kommt dabei nur selten in die Versuchung, sich des gängigen Hilfsmittels Fotografie oder der Zufuhr von sonstigem Fremdmaterial zu bedienen, sondern sie erschafft auf ihren Leinwänden mit weltschöpferischer Rigorosität Orte, in die sie ihre Naturerfahrung hineinwirkt. In großer Naturalismusferne entstehen auf diese Weise Landschaftskonzentrate in unterschiedlichsten Verdichtungszuständen, manches erweckt den Anschein einer noch ungesonderten Tektonik; anderes hingegen ist zu Pressformen verkeilt, aus denen die Waldluft zu entweichen scheint.

Waren es vor einigen Jahren überwiegend größere Papiere, die die Malerin für ihre Tableaus nutzte, so hat sie sich mittlerweile beinah gänzlich auf die Leinwand verlegt. Auch ist die Pastellkreide, der sie früher einen Auftritt verschaffte, dem nichts von der üblicherweise damit einhergehenden Lieblichkeit anhaftete, inzwischen der robusten Ölfarbe gewichen.

Diese Übergänge vollzogen sich kaum merklich, und schließen nun neue Möglichkeiten der Darstellung atmosphärischer Aggregatzustände auf. Was uns von Friederike Jokischs Leinwänden her entgegentritt, stellt sich zwar zunächst als Landschaft vor, erweist sich aber dann zunehmend als Auffangfläche für Fundstücke, Assoziatiospartikel und Besiedlungsstrukturen unterschiedlichster Art. Es sind plane Gegenden, in denen Idyllisches bestenfalls als schnell hinterfragbare Behauptung auftritt, und denen eher die Anmutung eines geistigen Manövergebietes zu eigen ist, innerhalb dessen Kontingente nach Bedarf verschoben und aufeinander zugeführt werden, als dass man sich in ihnen verbindlich einrichten könnte. Dennoch befremden diese Einblicke nicht.

Die Malereien entwickeln ihre feine Suggestivität und spiegeln das Bild des Wanderers in sich hinein, zu dem der Betrachter unweigerlich vor ihnen wird.

Neo Rauch, 2023

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Text von Regina Bärthel, 2008

Landschaftsbrüche.
(oder auch: Gebrochene Naturschönheit)
Zu den Arbeiten von Friederike Jokisch

Dramatisch glühende Alpengipfel, heroisch gen Himmel strebende Bergmassive, sich lieblich im Tal schlängelnde Flüsse – das sind die tradierten Vorstellungen von Landschaftsmalerei, die nicht zuletzt die allgemeine Rezeption von Natur und Natürlichkeit prägen. Es ist das Andere, das Unberührte, Ursprüngliche und Entgrenzte, das der kulturell geprägte Mensch in der Natur zu finden hofft. Diesen Vorstellungen begegnet Friederike Jokisch mit vielfältigen Brüchen und Verfremdungen.

„Zentrales Motiv ihrer Arbeit ist seit geraumer Zeit die Landschaft, der sie auf ihren großformatigen Blättern einen Umformungsprozess zugedeihen lässt, der unsere Aufmerksamkeit auf die Kehrseite der Beschaulichkeit und der ungebrochenen Naturschönheit lenkt. Zugleich gelingt es ihr, der Pastelltechnik einen Auftritt zu verschaffen, dem nichts von der üblicherweise damit einhergehenden Lieblichkeit anhaftet. Es macht eine der Besonderheiten ihres Zeichnens aus, dass sie eben diese Pastellkreide benutzt, um damit an den Rändern unserer Werklandschaften entlang zu spüren.“, fasst Neo Rauch, bei dem Friederike Jokisch studierte, ihren Ansatz zusammen.

Es sind die eher zurückhaltenden und vergleichsweise banalen Wellenformationen der Mittelgebirgslandschaft, die Friederike Jokisch einer genauen, ja nur allzu genauen Naturbeobachtung unterzieht. Für ihre frühen Arbeiten wurden die in freier Natur entstandenen Zeichnungen und Skizzen im heimischen Atelier zu Bildern umgesetzt, die einen hohen Grad von Realismus aufweisen. Doch gerade hier, in dieser starken, fast sezierenden Nahsicht entstand ein verfremdender Blick, der die „natürlichen“ Objekte in einer formalästhischen Auseinandersetzung auf zu Grunde liegende Strukturen reduzierte. So zeigt sich die Lithografie „o.T. (Lichtwald)“ von 2005 als grafische Faktur, die die Licht- und Schattenverhältnisse dicht stehender Nadelbaumstämme minutiös nachempfindet, in der aber das Naturhafte zu einer kühlen Linearität umgedeutet wird. „o.T. (Kreuzung)“ aus dem gleichen Jahr reduziert gar den naturhaften Anklang zum bloßen Schatten seiner selbst, wobei der Titel in einer sozusagen gentechnischen Doppeldeutigkeit das Artifizielle des in der Landschaft geschauten zu unterstreichen scheint.

Das Künstliche ist der Gegenpol des Natürlichen. Natur wird allgemein als das Lebendige, Gewachsene, vor allem aber Ursprüngliche, Ungestaltete verstanden. Natur innerhalb dieser Vorstellung ist ein autonomer Bereich, der unabhängig von menschlichen und zivilisatorischen Einflüssen existiert. Diese autonome Ursprünglichkeit jedoch findet sich heute faktisch nicht mehr. Unser Lebensumfeld wird vielmehr von einer Natur bestimmt, die sich als eingegrenztes Areal wie Park und Grünfläche oder – im größeren Stil – als Naturpark auszeichnet. Interessant dabei ist, dass diese künstlichen Landschaften sich in einer Schnittmenge zwischen Kultur- und Naturraum befinden, in der die Begrenzung und Begrenztheit zugleich als Schutz durch wie auch als Schutz vor der Zivilisiertheit des Menschen fungiert. Zugleich ist der Wald der deutschen Mittelgebirge bereits eine Kulturlandschaft des 19. Jahrhunderts und befindet sich seither in einem Status zwischen Schutz und Nutzung – wodurch die Spuren der Zivilisation von Beginn an bis heute in ihn eingeschrieben sind. Und so umgibt uns heute das, was bereits um 1800 als Schlüsselbegriff der Anthropologie, Ästhetik und Kulturtheorie auftauchte: die „zweite Natur“ als eine Natur, die irreduzibel mit der gestalterischen Aktivität des Menschen zusammenhängt, dieser aber doch auch als quasinatürliche Sphäre gegenübersteht.

In den letzten Jahren nimmt die Auseinandersetzung mit Natur und Landschaft wieder einen hohen Stellenwert im Themenrepertoire der zeitgenössischen Kunst ein. Insbesondere das Hinterfragen der tradierten Bilder von Natur, das subversive Unterwandern von Dogmen und Mystifizierungen in der Betrachtung von Natürlichkeit weicht einem Naturverständnis, das sich an aktuellen Lebensrealitäten orientiert und sie kommentiert.

In ihren aktuellen Arbeiten weitet Friederike Jokisch ihren Blick. Auf Formaten, die nun durchaus 1,5 x 2,5 m messen können, entstehen Landschaften in Pastellkreide, die weite Räume ausbilden. Räume, die zu einem fernen Horizont schweifen und Topografien von merkwürdig distanzierter Nähe und seltsam überformter Realität markieren. Sie sind keine in sich geschlossenen naturalistischen Abbildung von Welt, sind nicht real verortbar, sondern entstehen in einem künstlerischen Prozess aus Skizzen, Erinnerungsfragmenten und formalen kompositorischen Überlegungen. Auf diese Weise „entwickelt sich während der Arbeit eine Spannung zwischen Realem und Imaginärem, was zu absonderlich-bizarren Momenten im Bild führt“ (Friederike Jokisch).

Bereits der Landschaftsausschnitt dieser Arbeiten ist oftmals frappierend: Der Bildausschnitt ist so gewählt, dass die Begrenzung, das Teil- und Aspekthafte betont wird. Der dargestellte Raum bildet einen Ausschnitt, der an allen seinen Grenzen anzustoßen scheint, über sie hinaus drängen möchte. In diesem Ausschnitt werden wiederum die Einschreibungen der Kultur kenntlich: Weglinien, Feldraine, systematisch in Reihen angepflanzte Bäume bilden sich als standardisierte Formen, als Muster ab.
Der sezierende Blick, der die Strukturen der zivilisatorisch begrenzten Natur freilegt und zu standardisierten Strukturen gerinnen lässt, bleibt nicht im Abstrakten. Ganz im Stil des Symbolismus sucht in „o.T. (Symbiose)“ von 2007/08 eine menschliche Gestalt daphneartig die Vereinigung mit dem Naturhaften. Und erinnert nicht die gerundete helle Fläche von „o.T. (Ebene)“ von 2008 an einen Bauch mit Bauchnabel und damit an das Urbild des Einsseins und der Leben spendenden Natur? Doch ist dies nicht zugleich eine öde, einsame Weite – mit einer unergründlich tiefen Grube, einer uneinsehbaren Höhlung, einem Moment des Unfassbaren? Ähnlich der romantischen Ironie spiegelt sich hier das Wissen um die Relativität der Wahrnehmung, um das Paradoxon von Realität schlechthin. Topografien erhalten symbolischen Charakter, können auch etwas ganz anderes bedeuten. So ist der von Friederike Jokisch eingefangene Landschaftsraum stets mit einem doppelten Boden versehen, zeigt sich im wahrsten Sinne des Wortes löchrig, unterwandert („o.T. (Vertiefung“, 2007).

Friederike Jokischs Blick in die Landschaft führt nicht zu einer Intensivierung von idyllischer Nähe, versichert dem Betrachter nicht die Schönheit der Welt. Vielmehr befreit er das Objekt „Landschaft“ von tradierten, vorgeblendeten Mystifizierungen. Nicht das Ursprüngliche, Entgrenzte einer autonom existierenden Natur ist es, das dem Betrachter hier entgegen ruft, sondern Friederike Jokisch fokussiert die Brüche und Verfremdungen einer Welt zwischen Kultur und Natur, thematisiert die Spuren der Zivilisation in der Beschnittenheit einer quasinatürlichen Sphäre. Zugleich scheint etwas wie eine Widerständigkeit der Natur, ein Trotzdem und Dennoch aus manchen Bildern hervor. Dem Mythos von Natürlichkeit wird in diesen Arbeiten zwar durch den genau beobachtenden Blick seine idealisierte Makellosigkeit genommen – doch daraus wächst bisweilen ein Eindruck von Verbundenheit und Parallelität zur menschlichen Existenz und Gesellschaft.

Regina Bärthel, 2008

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Text von Elena Sadykova, 2021

Mit der ersten Einzelausstellung der in Berlin lebenden Malerin Friederike Jokisch (*1981 in Leipzig) setzt die White Square Gallery ihre traditionelle Ausstellungsreihe fort, die sich der zeitgenössischen Landschaftsmalerei widmet.
In der heutigen Zeit bekommt die Landschaft eine weitere, umfassendere Bedeutung, die nicht zuletzt mit unserer Wahrnehmung der unumkehrbaren und beunruhigenden Veränderungen in der Natur und Umwelt zu tun hat. Diese Tatsache findet einen starken Ausdruck in der Kunst der Gegenwart, dem eine Vielfalt der visionären Richtungen und Wegen entspringt, von denen manche bereits in anderen Ausstellungen der White Square Gallery präsentiert wurden.
Die Erde, Natur, Umwelt bilden den geistigen Mittelpunkt im Werk von Friederike Jokisch. Die Landschaft als zentrales Motiv begleitet, ja sogar bestimmt seit Jahren Ihre Auseinandersetzung mit der Kunst. Es ist jedoch nicht die genaue Wiedergabe des Gesehenen, die die Künstlerin an- treibt oder gar interessiert. Ihre realistisch anmutenden Landschaften und Interieurs sind keine Momentaufnahmen der konkreten, realen Umgebung, vielmehr spiegeln
sie ihre eigene Wahrnehmung des Lebens wieder, in der die Natur allgegenwärtig und unentbehrlich ist. Diese Omnipräsenz des Lebendigen und Wachsenden manifestiert sich in allen ihren Arbeiten und wird zusätzlich durch die scheinbare Abwesenheit der Menschen betont. Die menschliche Gegenwart wird jedoch keinesfalls ge- leugnet: Der Mensch wird lediglich auf seine Behausungen, Möbel-, Kleidungsstücke und einzelne Gegenstände des täglichen Gebrauchs reduziert, auf die Spuren also, die er in der seiner Umwelt hinterlässt.
Genau diesen Punkt thematisiert hier die Künstlerin, in- dem sie die Symbiose „Mensch-Natur“ genauer unter die Lupe nimmt. Und es ist nicht die die bloße Kritik oder gar die Missbilligung, die Friederike Jokisch antreibt, sondern die Neugierde und Lust auf ihre eigenen Erfahrungen. Sie spürt die intuitiven Wege und kreativen Lösungen auf, welche die künftige Entwicklung des Zusammenlebens natur- wie menschenfreundlich gestalten können.
Die aktuellen Arbeiten der Ausstellung, die uns öfter in die anderen Sphären wie Himmel oder Wasser locken, sind Visionen einer möglichen neuen Realität, in der weder Natur noch Mensch triumphieren, sondern sich zunehmend
aneinander anpassen. Diese Anpassung ist jedoch weder kampflos noch endgültig. Es brodelt ja ganz heftig in „Der großen Schweinerei“ oder sogar in den scheinbar friedlichen Formationen der himmelhoch fliegenden Kraniche. Der Kampf ist allgegenwärtig. Aber dieser Chaos ordnet sich zuweilen und nimmt harmonische Formen an, in denen die künstlichen und lebendigen Objekte plötzlich Eins werden („Gespannt“ oder „Auftreiben“). Und auch wenn diese unerwarteten Harmonien flüchtig und vorübergehend sind, sind sie wegweisend, denn sie zeichnen eine Aussicht auf, die uns – allen Ängsten zum Trotz – Mut und Zukunftsglaube einfließt.
Bereits der Titel dieser Ausstellung „…nicht irgendein Planet“, ein Zitat aus der poetischen Erzählung „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry, ist eine Anspielung auf die Erkenntnis der Vergänglichkeit und Verletzbarkeit unserer Erde. Genau dieses Gefühl der Verwundbarkeit und Sehnsucht auf der einen und der Zuversicht und Hoffnung auf der anderen Seite, strahlen die meisten Arbeiten dieser Ausstellung aus. Die Wahl wird dem Betrachter überlassen.
Elena Sadykova, 2021

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Text von Friederike Berger, 2021

Die Malerin Friederike Jokisch, geboren 1981 in Leipzig, lebt und arbeitet sowohl in Berlin als auch in ihrer Geburtsstadt. Seit 2018 ist sie Mitglied im VdbK. Sie studierte 2002–2008 Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB) bei Prof. Arno Rink und Prof. Neo Rauch. Bei Prof. Rauch war Jokisch ab 2008 zwei Jahre Meisterschülerin.

Erinnerungen und Skizzen bilden die Arbeitsgrundlage für ihre Wunschlandschaften auf Papier und Leinwand, die die Betrachtenden in andere Welten tragen. Diese imaginären Orte lässt Jokisch vor dezenten, farbigen Hintergründen entstehen, die wie ein sanftes optisches Rauschen wiederkehrende Motive in den Fokus bringen. Zugvögel und Fledermäuse, Quallen und Kraken, aber auch Schweine bewohnen diese menschenleeren Universen, die von der Natur zurückerobert werden: Nur hier und da zeigen sich vereinzelt Spuren von vielleicht schon vergangener menschlicher Existenz. Im zeichnerischen Duktus fügen sich die Elemente rhythmisch – fast ornamental – zu einer flächigen Komposition, die sich in einen Rapport setzen ließe und an die Illusionen M.C. Eschers erinnert.

Neben den Motiven aus Flora und Fauna entfalten vor allem die bewusst gewählten Farben emotionale Assoziationen. Reduziert auf wenige Nuancen, schafft Jokisch harmonische Farbakkorde, die ihre Bilder vor allem in Öl und Pastell aus der Farbigkeit heraus entstehen lassen – ohne dabei die Gegenständlichkeit zu negieren. Die elegante Balance von Form und Farbe im Spiel mit Wiederholung, Spiegelung und Transparenz schafft Mehrdeutigkeit in diesen modern-romantischen Traumlandschaften im Zeichen der Neue Leipziger Schule.

Friederike Jokisch nahm seit 2005 jedes Jahr an zahlreichen Gruppenausstellungen teil, beispielsweise 2011 in der Stadtgalerie Altötting („Delikatessen“),  2014 im Kunstmuseum Ahrenshoop („Das flüssige Element“),  2019 im Käthe-Kollwitz-Museum Berlin („12aus46“) und 2020 im Kunst- und Projekthaus Torstraße 111 („Dreiphasen“). Einzelausstellungen zeigten unter anderem 2017 und 2020 in Leipzig die Baumwollspinnerei („Uncover, Archiv massiv“ und „Vertige“), 2018 in Frankfurt a. M. die Galerie Hübner + Hübner („Neue Ufer“) und 2021 die White Square Gallery in Berlin („…nicht irgendein Planet“). 2011 war die Künstlerin als Stipendiatin Teil des Projekts „Il monte analogo“ in San Lorenzo und erhielt 2020 ein Stipendium vom Kulturvoll e.V.

Werke Jokischs befinden sich in der Sammlung Kunsthalle der Sparkasse Leipzig. Vertreten wird die Künstlerin durch die Galerie Hübner + Hübner, die White Square Gallery und Thaler Originalgrafik.

Friederike Berger, 2021

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FFoto: Josephine Tischer (Atelier Berlin 2023)Foto: Uwe Walter, Berlin (Atelier Berlin 2016)

Foto: Uwe Walter, Berlin (Atelier Leipzig 2013)

Foto: Uwe Walter, Berlin (Atelier Berlin 2018)

Foto: Uwe Walter, Berlin (Atelier Berlin 2017)